Genuss Qi Gong: für achtsames Essen
Exkurs: Was ist Qi Gong?
Qi Gong gehört zu den 5 Säulen der traditionellen chinesischen Medizin, die alle zusammen als präventive Heilkünste Körper, Geist und Seele in Balance zu halten versuchen. Qi steht für Lebensenergie, Gong bedeutet Übung. Bewegung, Atem und Meditation kommen hier in rhythmischen Körperübungen zusammen. Ziel ist es, das Qi in den Meridianen frei fließen zu lassen und den Körper von eventuell bestehenden Blockaden zu befreien. Qi Gong hat eine meditative, stressreduzierende Wirkung und bringt uns in den Körper, in den Moment.
Und darum geht es auch beim Essen. Das Frühstück, das Mittag oder Abendbrot bewusst schmecken und genießen können, beutetet mit der Aufmerksamkeit im Körper und somit im Hier und Jetzt zu sein. Mit allen Sinnen genießen bedeutet genau genommen über das Schmecken der Geschmäcker, das Riechen der Aromen und das Sehen der Farben, das Qi der Lebensmittel aufzunehmen und damit seinen Mikrokosmos vitalisieren und nähren zu können.
In diesem Beitrag stelle ich Genuss Qi Gong als Meditationsübung vor, wenn Du während des Essens für Dich sein kannst. In meinem nächsten Beitrag richtet sich die Genuss Qi Gong Meditation an die Lebenssituationen, wenn Familie oder Freunden zum Essen gemeinsam zusammen kommen.
Anleitung: Genuss Qi Gong
»Wenn du während des Essens für dich bist«
1. Wenn Du magst, schließe Deine Augen und erfahre zunächst die Atmung in Deinem Körper. In Deiner Brust, Deinem Bauch, ganz bewusst. Spüre wie Dein Körper ganz von selbst ein- und ausatmet.
2. Vielleicht kannst Du wahrnehmen, wie Dein Körper mit jeder Einatmung genährt wird und mit jeder Ausatmung mehr und mehr entspannt.
3. Es gibt nichts weiter zu tun. Nur Du, Dein Körper, der Moment. Alles vermeintlich Wichtige kann kurz warten. Gerade zählt nur das Hier und Jetzt.
4. Wenn Du bereit bist, öffne Deine Augen und nimm Deine Umgebung, den Tisch an dem Du sitzt, Deinen Teller und das Essen vor Dir wahr. Was siehst Du? Steigt vielleicht noch Dampf auf? Welches Farbenspiel präsentiert sich Dir? Was kannst Du riechen? Welche Düfte und Aromen nimmst Du wahr?
5. Vielleicht hast Du noch kurz den Impuls dankbar für Dein lecker ausschauendes und appetitlich duftendes Essen zu sein. Vielleicht kannst Du Freude und Lust empfinden. Freude beim Essen zu spüren, gibt der Qi-Transformation ihre treibende Kraft.
6. Nun geht es um das bewusste Fühlen, Kauen, Schmecken. Wie fühlt sich der Bissen im Mund an? Welche Form nimmst Du noch wahr? Wie ist die Konsistenz? Welche ersten Geschmackserlebnisse tun sich auf?
7. Wenn der Happen seine ursprüngliche Form verloren hat und zu einem formlosen Brei geworden ist, bleibt an Wahrnehmbarem nur der Geschmack übrig. Welche Geschmackssensationen sind jetzt erlebbar? Schmeckst Du eher süß oder salzig? Ist Dein Essen scharf oder besitzt es einen Hauch spritziger Säure?
8. Vielleicht möchtest Du Dir vorstellen, dass Deine Milz und Dein Magen aus den Geschmäckern nun vitalisierende Energie für Deine Organe bilden. Und das Du schon bald mit Deinem Essen zu einer Einheit verschmilzt. Das, was Du isst, nährt Deinen Körper, hält Dich am Leben, wird zu einem vorübergehenden Teil von Dir.
9. Wenn Du magst, kannst Du auch Wünsche aussprechen. Wie zum Beispiel, dass Du Dir wünschst, dass Dich dieses Essen auf optimale Weise nährt. Dich gesund hält. Dir Kraft und Energie spendet für den Tag. Dich wärmt. Dich glücklich macht. Hier kannst Du denken oder aussprechen, was immer Dir gerade in den Sinn kommt und was Du eventuell aktuell am meisten brauchst.
10. Vielleicht wünschst Du Dir auch einfach, dass es Dir möglich ist, dieses leckere Essen vom ersten bis zum letzten Bissen vollkommen genießen zu können, um im Anschluss vollends befriedigt zu sein. Deiner Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Sprich für Dich aus, was immer Du brauchst.
12. Spüre am Ende nach, wie es Dir gerade geht. Wie fühlt sich das Essen in deiner Magengegend, Deinem Bauch an. Schenkt es Dir ein wohliges Gefühl? Schenkt es Dir Wärme? Oder ist Dir vielleicht während des Essens kalt geworden? Fröstelt Dir vielleicht gerade? Fühlen sich Deine Füße und Hände warm oder kalt an? Bist Du satt geworden? Hast Du ausreichend oder eventuell zu viel gegessen? Bist Du vielleicht jetzt müde und hast Lust auf eine Pause? Oder fühlst Du Dich energetisiert und hast Lust, was zu tun?
13. Wenn Du magst, kannst Du Dir zu den letzten Fragen und Antworten Notizen machen und vielleicht ein Tagebuch darüber führen. Anhand Deiner Befindlichkeiten nach dem Essen kannst Du für dich nämlich erforschen, welche Nahrungsmittel Dir guttun und welche Lebensmitteln für Deinen Körper nicht das Optimum sind. Vor allem Patient:innen, die unter Verdauungsstörungen leiden und mit Aufstoßen, Magendruck, Völlegefühl, Sodbrennen oder Blähungen zu tun haben, empfehle ich gerne ein Ernährungstagebuch zu führen. So lässt sich nachvollziehen, durch welche Lebensmittel die Beschwerden mehr oder weniger stark ausgeprägt sind.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass diese Anleitung wahrscheinlich einfacher geschrieben und viel einfacher gelesen ist, als sie sich tatsächlich praktizieren lässt. In meinem Blog Beitrag „Warum die ersten und letzten Bissen immer am besten schmecken“, habe ich das Ruhenetzwerk im Gehirn vorgestellt. Das wird immer dann aktiv, wenn wir eigentlich vor haben, eine Pause zu machen. In den Zwischenstopps fängt unser Gehirn an, Probleme zu wälzen. Also wenn Du Dich im Qi Gong für achtsames Essen übst und feststellst, dass es fast unmöglich erscheint, sei gnädig mit Dir selbst. Gehe in liebevollen Kontakt mit Deinen Gedanken, werde Dir Deines Atems, Deines Körpers, Deiner Füße bewusst. Und rufe Dir immer wieder mit Wertschätzung für Dich selbst in Dein Gedächtnis, dass Dein Ruhenetzwerk gerade hoch aktiv ist. Wie bei allem trifft auch hier der Spruch zu: Übung macht den Meister und die Meisterin. Alles braucht sein Training und seine Zeit. Aber eins steht fest, um so mehr Du dich in Achtsamkeit, Meditation und Qi Gong für bewusstes Genießen übst, desto leichter wird es Dir fallen, im Moment, Im Hier und Jetzt zu blieben. Und! in den regelmäßigen Achtsamkeitsübungen wird auch das Ruhenetzwerk deaktiviert. Also Du kannst nur gewinnen.
Ein Tipp noch zum Schluss. Es heißt, dreißigmal kauen sei optimal. Wenn Du merkst, dass Deine Gedanken immer wieder abschweifen, könntest Du, während Du kaust, bis dreißig zählen. Damit gibst Du Deinem aktiven Geist eine Aufgabe und Du selbst kannst Dich auf das Schmecken und Genießen konzentrieren. Oder Du sprichst ganz ruhig und langsam folgenden Satz im Stillen zu Dir: „Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich esse, dann esse ich."
In diesem Sinne: Namasté.